„Verhängnisvoll“ seien „die möglichen Konsequenzen“ der Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben im Eherecht mit Heterosexuellen, warnt Hedwig von Beverfoerde die Anhänger ihrer „Demo für alle“ bei Facebook. Diese „möglichen Konsequenzen“ will die katholische Fundamentalistin am 20. Januar 2018 in Frankfurt bei einem sog. „Symposium“ erörtern. Rechtskonservative und religiöse Aktivisten geben sich dabei mal wieder die Klinke in die Hand. Von Christian Maluck.

Bei den „möglichen Konsequenzen“, die die bloße Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben haben sollen, scheinen dem Kopfkino derzeit kaum Grenzen gesetzt: Denkbar scheint da so ziemlich alles, so abstrus es auch immer sein mag, um die eigenen Anhänger in Rage zu versetzen und praktisch den gesamten Lebensfrust in Richtung Schwule und Lesben zu entladen: Vor Polygamie, Leihmutterschaft und, ja, auch der Kinderehe, wird bei der „Demo für alle“ als mögliche Folgen gewarnt, wie auch im folgenden Screenshot zu sehen ist.

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Screenshot

Keiner der Punkte wird aus dem LGBTIQ*-Umfeld gefordert oder entspricht den Vorstellungen von LGBTIQ*-Personen, aber so tun, als wäre es „möglich“, kann man ja trotzdem mal – und sich schon mal vorsorglich darüber echauffieren. Keiner der Punkte, die die Reproduktionsmedizin betreffen, sind zudem exklusiv Fragen, die sich nur bei Schwulen und Lesben stellen würden, denn: Sie betreffen Heterosexuelle ganz genauso.

Auch wird immer wieder behauptet, Kinder hätten ein Recht auf heterosexuelle Eltern – und so die eigene Homophobie Kindern in die Schuhe geschoben -, als hätte die sexuelle Identität irgendeinen Einfluss darauf, wie gut sich ein Mensch als Elternteil eignet.

Ein Blick in die 23 Länder, in denen die Gleichberechtigung im Eherecht mitunter schon seit vielen Jahren besteht, in den Niederlanden etwa seit 2001, zeigt auch: „verhängnisvolle Folgen“, vor denen hier jetzt neu gewarnt wird, sind dort ausgeblieben.

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Foto: Pixabay

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit verwissenschaftlicht

Am 20. Januar 2018 will die katholische Fundamentalistin Hedwig von Beverfoerde mit ihrer vermeintlichen „Demo für alle“ nun also bei einem weiteren „Symposium“ – nach Stuttgart und Wiesbaden – in Frankfurt die „verhängnisvollen“ Folgen der Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben mit Heterosexuellen erörtern.

Gerne erweckt von Beverfoerde den Eindruck, dass es ihr ja nur um das Wohl von Kindern ginge. Durch das Konfrontieren von Kindern mit der Diskriminierung von LGBTIQ*-Personen im Schulunterricht sieht von Beverfoerde, die sich darüber empört, als homophob bezeichnet zu werden, die Gefahr, dass Kinder in ihrer Geschlechtsidentität verwirrt werden könnten, wie sie etwa in ihrer Rede bei der „Demo für alle“ am 28. Februar 2016 in Stuttgart ausgeführt hat. Somit kämpft von Beverfoerde gegen die Förderung der Akzeptanz von LGBTIQ*-Personen als gleichwertige Menschen an Schulen und auch gegen ihre Gleichberechtigung im Eherecht und erklärt zugleich, dass sie unter Toleranz die „Duldung eines Übels“ versteht.

Auch ein Aufruf zum Gebet gegen die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben wird da schon mal geteilt:

Auf „spannende Vorträge von Wissenschaftlern und Experten“ dürfe man sich nun also freuen, heißt es in der Einladung zu dem „Symposium“. So spannend, dass einem dabei fast das Blut in den Adern gefrieren und sich zugleich auch noch alle Nackenhaare aufstellen könnten.

Auch wenn eine solche Nähe von offizieller Seite ebenfalls gerne geleugnet wird, werden sich auch bei diesem angeblich wissenschaftlichen „Symposium“ religiöse und rechtskonservative Aktivisten die Klinke in die Hand geben und versuchen, unter dem Deckmantel des vermeintlichen Kinderschutzes ihre LGBTIQ*-feindlichen Positionen verharmlosend als „Meinung“ oder gar noch als wissenschaftlich fundiert zu propagieren und in die Politik hineinzutragen. Frei nach dem Motto: Wenn Wissenschaftler das sagen, muss es ja stimmen.

Obwohl auch immer wieder behauptet wird, dass die „Demo für alle“ eine überkonfessionelle Bewegung sei, haben auch hier die meisten Redner wie auch die Anhänger und Unterstützer*innen einen erkennbar christlich-fundamentalistischen Hintergrund. Die Parteizugehörigkeit wurde in der Einladung bezeichenderweise direkt weggelassen.

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Foto: Pixabay

Bislang angekündigte Redner

Prof. Dr. Jörg Benedict (Rechtswissenschaftler)

Prof. Dr. Jörg Benedict ist Rechtswissenschaftler an der Universität Rostock und soll darüber referieren, ob es sich bei der Ehe für alle um einen „offenen Verfassungsbruch“ handelt. Benedict war zu einer Anhörung von Sachverständigen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags zum Thema Ehe-Öffnung geladen und zeigte sich überzeugt vom „Heterosexualitäts-Prinzip“, das im Grundgesetz-Artikel 6 Absatz 1 geschützt sei. Dies lasse sich „nicht mit Hinweis auf einen gesellschaftlichen oder stillschweigenden Verfassungswandel weg erörtern“.

Birgit Kelle (katholische Aktivistin)

Als weitere Rednerin ist katholische Aktivistin Birgit Kelle angekündigt, die mit ihrem Verein an der „Demo für alle“ beteiligt ist und über Lehmutterschaft referieren soll. Es gibt aus der LGBTIQ*-Ecke allerdings gar keine solche Forderung, und es handelt sich dabei auch nicht um ein rein schwul-lesbisches Thema. Dennoch wird dieses Thema jetzt permanent von den Rechtskonservativen um die „Demo für alle“ ausgeschlachtet, um so zu tun, als wäre es so und damit um Unbehagen gegen Schwule und Lesben zu produzieren. Kelle, die wiederholt auch schon die rechte Zeitung „Junge Freiheit“ für sich als Plattform genutzt hat, sieht sich als Gender-Expertin, fällt aber vor allem durch Verunsachlichung und Polemik auf.

Dr. Christian Spaemann (katholischer Psychiater)

Dr. Christian Spaemann ist katholischer Psychiater und zählt zum wissenschaftlichen Beirat des von der evangelikalen Offensive Junger Christen betriebenen Seite „Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft“ (DIJG). Das DIJG bezeichnet eine homosexuelle Identität als (selbst) gewählt, warnt vor den „gesundheitlichen Risiken“ sog. „homosexueller Lebensstile“, rät Jugendlichen von einem Coming-Out ab und befürwortet die „Therapie“ von Homosexualität. Christian Spaemann war schon einmal bei dem „Symposium“ der „Demo für alle“ in Wiesbaden per Video zugeschaltet. Er ist der Ansicht, dass Vielfalt für die Gesellschaft nicht taugen könne und auch er hält Homosexualität für „therapierbar“.

Stephanie Merckens (ÖVP, österreichische Bischofskonferenz)

Mertens ist Mitglied der konservativen Partei ÖVP, die gerade mit der rechtspopulistischen FPÖ eine Koalition eingegangen ist. Sie ist Juristin, Rechtsanwältin, Referentin für Bioethik und Lebensschutz sowie Beiratsmitglied des Institutes für Ehe und Familie der österreichischen Bischofskonferenz.

Merckens wettert regelmäßig gegen die Ehe für alle und will in der rechtlichen Benachteiligung von Homosexellen keine Diskriminierung sehen. U.a. mit Verweis auf das Kindeswohl und darauf, dass sie die leibliche Elternschaft für identitätsstiften hält, will sie Schwulen und Lesben das Grundrechte auf Ehe verweigern – völlig außer acht lassend, dass die meisten in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften lebenden Kinder leibliche Kinder eines Partners sind und diese Kinder den gleichen Anspruch auf rechtliche Absicherung ihrer Eltern haben müssen. Gegen Adoptiv-Kinder und Alleinerziehende – und ihren Anspruch auf Ehe – würde sich diese Haltung letztlich auch richten, was zeigt, wie willkürlich Merckens‘ Argumentation ist.

Tobias Teuscher (einst AfD-Fraktionsgeschäftsführer)

Tobias Teuscher wurde einst von Beatrix von Storch (AfD), aus deren Büro in Berlin die „Demo für alle“ anfangs organisiert wurde, zum Fraktionsgeschäftsführer der AfD im Europaparlament gemacht. Teuscher ist Mitorganisator der religiösen Initiative „One Of Us“, die sich dem Lebensschutz widmete und Abtreibungsgegner und LGBTIQ*-Feinde europaweit zusammenbrachte und als deren Fortführung die religiöse Initiative „Vater, Mutter, Kind“ zu sehen ist, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Ehe europaweit als Verbindung von Mann und Frau festzuschreiben. In Deutschland übernahm Hedwig von Beverfoerde, die Organisatorin der „Demo für alle“, die Koordination beider Initiativen.

Ein Interview, das Teuscher 2014 dem Deutschlandfunk gegeben hatte und von Jürgen Liminski geführt wurde (s.u.), hatte für einen Eklat gesorgt: Teuscher hatte darin den Grünen vorgeworfen, mit den Bildungsplänen zu Förderung der Akzeptanz von LGBTIQ*-Personen Pädophilie legitimieren zu wollen.

Jürgen Liminski (katholischer Journalist und Aktivist)

Jürgen Liminski ist Geschäftsführer beim „Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V“ (iDAF), das gemeinsam mit der evanglikalen Offensive Junger Christen im Rahmen des „Aktionsbündnis Familie“ zusammenarbeitet. Weiterhin ist Jürgen Liminski Mitglied der katholischen Laienorganisation Opus Dei mit neokonservativer fundamentalistischer Ausrichtung, die als eine der einflussreichsten und zugleich umstrittensten Einrichtungen der römisch-katholischen Kirche gilt.

Liminski ist ständiger Mitarbeiter mehrerer Zeitungen, unter anderem der „Katholischen SonntagsZeitung“ sowie der reaktionären katholischen Zeitung „Die Tagespost“. Liminski schreibt auch für die rechte Zeitung „Junge Freiheit“. Der verantwortliche Medienredakteur der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und Blogger, Stefan Niggemeier, schreibt über Liminski, dass dieser „offenbar auch die Sendungen im öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk, die er moderiert, als Plattform für seine politischen Überzeugungen“ nutze.

Anlass für diese Annahme ist ein Interview mit dem damaligen AfD-Fraktionsgeschäftsführer im EU-Parlament, Tobias Teuscher (s.o.). Teuscher hatte darin den Grünen vorgeworfen, mit den Bildungsplänen zu Förderung der Akzeptanz von LGBTIQ*-Personen Pädophilie legitimieren zu wollen. DlF-Chefredakteurin Birgit Wentzien warf Liminski später vor, „seiner Aufgabe als Moderator nicht gerecht geworden“ zu sein. Liminski habe es versäumt, die Positionen seines Interviewpartners kritisch zu hinterfragen. Programmdirektor Andreas Weber und sie hätten mit Liminski in der Nachbereitung der Sendung ein entsprechendes „Kritikgespräch“ geführt.

Liminski ist es auch zu verdanken, dass die Übersetzung eines Zitats des verurteilten französischen Rechtsterroristen Dominique Venner bei der rechten Zeitung „Junge Freiheit“ zu lesen war. Venner hatte seinem Leben ein Ende gesetzt, um gegen die „abscheuliche“ Homoehe zu protestieren.

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Foto: Pixabay

Veranstaltung ist kein Symposium

Per Definition ist ein Symposium eine wissenschaftliche Diskussionsveranstaltung, doch gerade an Wissenschaftlern mangelt es: Bislang ist überhaupt nur ein einziger Wissenschaftler eingeladen, die anderen Teilnehmer*innen sind katholische Aktivist*innen. Eine Diskussion ist gar nicht erst vorgesehen; In der Einladung ist auch nur noch die Rede von „Referenten“ und „Interviews“. Und Kritiker müssen wohl auch hier draußen bleiben, die zu einer Diskussion aber unbedingt notwendig wären, denn hier müssten ja unterschiedliche Standpunkte betrachtet werden. Der Begriff Symposium wird hier also offensichtlich zu Unrecht verwendet.

Zugang zum „Symposium“

Zugang zu dem „Symposium“ wird nur nach vorheriger namentlicher Anmeldung gewährt. Dies wurde auch in Wiesbaden so gehandhabt. Dort sollen nach unseren Informationen an den Türen sogar Namenslisten von unerwünschten Personen, die sich der „Demo für alle“ gegenüber irgendwo kritisch geäußert haben, ausgelegen haben. Von den durchweg nicht neutralen Rednern einmal ganz abgesehen, entspricht diese Veranstaltung schon deshalb und auch, weil Diskussionen im Anschluss an die Vorträge ebenfalls nicht stattgefunden haben, zu denen Kritikern auch keinen Zugang gehabt hätten, keinerlei wissenschaftlichen Grundsätzen.

Warum dieses „Symposium“?

Hedwig von Beverfoerde wird nicht müde, den Eindruck zu erwecken, dass nur Heterosexualität ein Garant für eine gute Kindheit sei – und Homosexualität entsprechend nicht. Aus diesem Grund solle Homosexuellen das Grundrecht Ehe verweigert werden. Darum, diesen Eindruck zu erwecken, und die Ehe für alle doch noch irgendwie zu kippen, soll es offensichtlich nun auch bei dem „Symposium“ gehen.

Von einer Zerstörung von Ehe und Familie war da im Umfeld der Demo für alle auch immer wieder die Rede, obwohl denen, die schon immer heiraten konnten, nichts genommen wurde – außer die Möglichkeit, nach unten zu treten, weil man volle Grundrechte – trotz Gleichheitsgrundsatz – als heterosexuelles Privileg verstanden haben möchte.

Von Beverfoerde ignoriert dabei die Tatsache, dass Ehe und Kinder rein rechtlich gar nichts miteinander zu tun haben und dass es, auch wenn es eigentlich absurd ist, die Eignung als Eltern an der sexuellen Identität festmachen zu wollen, inzwischen auch ausreichend wissenschaftliches Material gibt, das klar belegt, dass die sexuelle Identität keinen Einfluss auf die Eignung als Eltern hat.

Das Ziel der katholischen Aktisitin ist also, ihre religiösen Überzeugungen in Gesetz gemeißelt zu sehen, dass es möglichst bei einer staatlichen Diskrimierung von Schwulen und Lesben bleibt – und somit gegen den Willen von etwa 80 % der Bevölkerung und gegen eine Mehrheitsentscheidung des Bundestages zu kämpfen.

Hedwig von Beverfoerdes Hoffnung ist nun Bayern. Auf das Bundesland übt sie in diesem Zusammenhang nun weiter Druck aus, möglichst doch noch eine Normenkontrollklage einzureichen. Den Druck auf dieses Bundesland mit dem „Symposium“ nochmals zu erhöhen, dürfte damit von Beverfoerdes Hauptanliegen sein.

Gegenprotest organisiert

Gegenprotest gegen die LGBTIQ*-feindliche Veranstaltung formiert sich bereits bei Facebook. Am Samstag, den 20. Januar findet dieser von 11:00 – 16:00 Uhr an der Hauptwache in Frankfurt statt. Angekündigt sind ein „Bühnenprogramm, Aktionen der Solidarität und Liebe“. Die Veranstaltung ist hier zu finden:

Mehr Informationen zum Thema? Like jetzt unsere Facebook-Seite Besorgte Homos.


besorgter

Christian Maluck ist 1973 geboren und verfolgt das Treiben von „besorgten Eltern“ seit dem Jahr 2015. In dieser Zeit hat er sich intensiv mit Bildungsplänen, Bildungspolitik, Sexualpädagogik und Gender Studies und Gender Mainstreaming auseinandergesetzt und wirkt seitdem auch an der Facebook-Seite „Besorgte Homos“ mit (www.facebook.com/besorgte). Aufgrund eigener Diskriminierungserfahrung an der Schule liegen ihm diese Themen besonders am Herzen. Mit LGBTIQ*-Politik beschäftigt sich Christian Maluck bereits seit dem Jahr 2000. Unter anderem war er 12 Jahre ehrenamtlich beim schwul-lesbischen Magazin Uferlos bei Radio LORA München 92,4 engagiert.

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